Zum Hauptinhalt springen
Regionales

Das unbekannte Amt

Serie im Top Magazin Koblenz

Weitersagen

Fast jeder kennt die Aufgaben einer Stadtverwaltung und einige dazugehörige, integrierte Ämter wie beispielsweise die Zulassungsstelle, das Standes- oder das Bürgeramt. Doch es gibt noch sehr viele weitere, eher unbekannte Ämter und Behörden in unserer Region. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene organisiert sind. Seit der Sommerausgabe 2015 ist das Top Magazin Koblenz diesen Ämtern, Behörden und Institutionen in loser Folge auf der Spur ...

In dieser Frühjahr/Sommerausgabe: Das Amt für Jugend, Familie, Senioren und Soziales der Stadt Koblenz, intern kurz auch Amt 50 genannt. Geleitet wird dieses Amt seit dem 1. Dezember 2004 von der Volljuristin Martina Schüller. Mit über 70(!) Aufgabenbereichen ist es das größte Amt innerhalb der Stadtverwaltung Koblenz – und eines der sensibelsten dazu! Wir sprachen mit der Leiterin des Großamtes sowie ihrem Stellvertreter Peer Pabst, der auch gleichzeitig Leiter des integrierten Jugendamtes ist.

Top: Frau Schüller, erklären Sie uns doch bitte einmal die ganz grundsätzlichen Aufgabenstellungen Ihres Amtes!

Martina Schüller: Gemeinsam mit der städtischen Politik, dem Oberbürgermeister und der Bürgermeisterin, Kirchen und freien Trägern, Wohlfahrtsverbänden, Institutionen, Initiativen und ungezählten Ehrenamtlichen engagiert sich das Amt für Jugend, Familie, Senioren und Soziales in der Stadt Koblenz für ein soziales und gerechtes Miteinander, für den Abbau sozialer Benachteiligungen, für Kinder- und Familienfreundlichkeit. Wir  arbeiten auch intensiv daran, die Lebensqualität für alle Generationen und Schichten zu verbessern und die dafür erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen.

Top: Und was heißt das in der konkreten Umsetzung?

Martina Schüller: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes für Jugend, Familie, Senioren und Soziales sind, wie es der Name schon deutlich macht, ein lebenslanger Ansprechpartner für die Koblenzer Bürgerinnen und Bürger in verschiedenen Lebenslagen, sozusagen generationenübergreifend von der Kindheit bis ins hohe Alter. Wir beraten und gewähren verschiedene Hilfen im Einzelfall. Hierzu gehören beispielsweise Sozialhilfeleistungen (u.a. Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege),Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen, Leistungen nach dem Wohngeldgesetz, dem Landesblindengeld- und Landespflegegeldgesetz, dem Bundesausbildungsförderungs-gesetz(Schüler- und Meisterbafög), dem Asylbewerberleistungs-gesetz wie auch wirtschaftliche Leistungen in der Jugendhilfe.

Weitere zentrale Aufgaben ergeben sich im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe. Hierauf wird Herr Pabst noch im Einzelnen eingehen.

Die Zusammenarbeit mit einer Vielzahl an Akteuren im sozialen Bereich ist eine weitere wichtige Aufgabe. Hierzu gehören z.B. die im Stadtgebiet tätigen Verbände der freien Wohlfahrtspflege und die Träger der freien Jugendhilfe. Neben der fachlichen Zusammenarbeit erfolgt eine finanzielle Förderung durch die Stadt Koblenz in Form von Zuschüssen, die durch unser Amt gewährt werden. Wir sind in der Verwaltung der Ansprechpartner für den Koblenzer Seniorenbeirat, Jugendrat und die Behindertenbeauftragte der Stadt Koblenz. Zu unserem Amt gehört die örtliche Betreuungsbehörde, deren Arbeitsschwerpunkt in der Unterstützung des Betreuungsgerichts vor der Einrichtung einer Betreuung liegt (u.a. Sachverhaltsermittlung, Erstellung von Sozialberichten).

Das gesamte Aufgabenspektrum unseres Amtes können Interessierte gerne einmal in transparenter Form auf den 171 Seiten unseres Jahresberichtes nachlesen. Dieser steht im Internet auf https://www.koblenz.de/leben-in-koblenz/soziales/publikationen

 

Top: Im Vergleich zu manch anderem Amt ist Ihr Aufgabenbereich  wirklich sehr umfangreich. Ist das nicht eine großeBelastung? Und wie bewältigen Sie diese ganz unterschiedlichen Aufgaben?

Martina Schüller: Es sind in der Tat viele, viele Aufgaben, die unser Amt wahrnimmt. Und es sind Aufgaben, die sehr stark von gesellschaftlichen Veränderungen geprägt sind. Um dem Rechnung zu tragen reagiert die Gesetzgebung mit einer Vielzahl an jährlichen Gesetzesänderungen sowie großen Gesetzesreformen wie z.B. die Hartz IV-Reform, das Bundesteilhabegesetz oder das Kita-Zukunftsgesetz. Die ständigen Änderungen in der Aufgabenwahrnehmung stellen eine große Herausforderung dar für deren Bewältigung es sehr engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedarf. Dies kann ich von meinen Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich sagen.

Ohne diese gute Teamleistung wäre das nicht zu schaffen und darauf bin ich sehr stolz. Es braucht aber auch der Unterstützung durch die Vorgesetzten. Und hier erlebe ich ein außerordentlich hohes Engagement durch unsere Dezernentin, Frau Bürgermeisterin Ulrike Mohrs, für das ich sehr dankbar bin. Im Hinblick auf den Fachkräftemangel und die damit einhergehende Konkurrenz auf dem Stellenmarkt ist es sicher ein großer Vorteil, dass wir mit Oberbürgermeister David Langner einen Oberbürgermeister haben, dem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Herzen liegen. Schließlich werden viele Entscheidungen in politischen Gremien (Stadtrat, Jugendhilfeausschuss, Sozialausschuss) getroffen, so dass es auch hier einer konstruktiven Zusammenarbeit bedarf, die ich für den Jugend- und Sozialbereich immer wieder wahrnehme.

Top: Frau Schüller, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Sie insgesamt im Amt? Und gibt es dabei besondere Qualifikationen?

Martina Schüller:UnserAmt hat aktuell 288 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die beruflichen Qualifikationen sind sehr vielfältig, u.a.: Verwaltungsfachkräfte, Sozialarbeiter/Sozialpädagogen, Erzieherinnen/Erzieher, Juristen, Betriebswirte, IT-Fachkräfte(m/w/d). Es gibt also vielfältige Möglichkeiten für eine Berufstätigkeit in unserem Amt und ich nutze gerne die Gelegenheit, um hierfür zu werben.

Top: Herr Pabst, Sie selbst verantworten als Leiter das Jugendamt. Welches sind die wichtigsten Aufgaben des Jugendamtes?

Peer Pabst: Die Pflege und Erziehung von Kindern und Jugendlichen ist das natürliche Recht der Eltern. Hierbei unterstützt das Jugendamt die Eltern und Erziehungsberechtigten mit Beratungsangeboten und vielfältigen Hilfen zur Erziehung. Dies kann im Bedarfsfall beispielweise eine sozialpädagogische Familienhilfe sein, bei der eine sozialpädagogische Fachkraft stundenweise die Familie in der eigenen Häuslichkeit berät. Daneben gewährt das Jugendamt finanzielle Leistungen wie Elterngeld und Unterhaltsvorschuss.

Es ist auch Aufgabe des Jugendamts, das Wohl von Kindern und Jugendlichen zu schützen. Die Mitarbeitenden des Jugendamts gehen allen Hinweisen nach, wenn ein Kind in Gefahr sein könnte. Sie suchen den Kontakt zu der betroffenen Familie, um gemeinsam mit ihr Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Dabei arbeiten sie eng mit anderen Institutionen zusammen, zum Beispiel mit Kindertagesstätten, Schulen, Ärzten und der Polizei. Bei akuten Kindeswohlgefährdungen muss das Jugendamt Kinder in Obhut nehmen.

Neben Amtsvormundschaften, dem Pflegekinderdienst, der Jugendgerichtshilfe und dem Jugendschutz sind die Themen Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit sowie Kindertagesbetreuung weitere wichtige Betätigungsfelder des Jugendamtes. Zudem koordinieren wir das Netzwerk Kindeswohl und das Koblenzer Bündnis für Familie. Diese vielfältigen Aufgaben wären für das Jugendamt ohne die enge und professionelle Zusammenarbeit mit den freien Trägern der Jugendhilfe nicht zu bewältigen. Für deren Unterstützung möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken!

Top: Wie sieht die Jugendarbeit in Koblenz aus?

Peer Pabst: Das Jugendamt unterhält das Jugend- und Bürgerzentrum auf der Karthause, den Jugendtreff Maulwurf im Kurt-Esser-Haus in der südlichen Vorstadt sowie das Haus Metternich in der Altstadt, in denen den Kindern und Jugendlichen vielfältige Angebote gemacht werden. Dies können neben den üblichen Spielangeboten, auch Koch- und Bastelaktionen, Musik- und Ferienaktionen etc. sein. Details kann man auf den Homepages der Häuser nachlesen. Daneben betreibt unsere mobile Jugendarbeit in den Ortsteilen Jugendtreffs, bietet Outdoor-Spielangebote (z.B. das Spielmobil „Kowelix“) an und führt verschiedenste Projekte durch, z.B. Streetsoccertuniere, Graffiti-Worshops oder Skateboard-contests. Mit dem Spiel-und Lern-Haus am Peter-Altmeier-Ufer und dem Werk-Bleidenberg an der Festung Ehrenbreitstein bietet das Jugendamt zwei tolle Orte des außerschulischen Lernens an. Natürlich fördert das Jugendamt auch Angebote der freien Träger, wie beispielsweise die Jugend-Kunst-Werkstatt.

Top: Auch der Bereich Kitas gehört zum Jugendamt. Welche aktuellen Herausforderungen müssen hier bewältigt werden?

Peer Pabst: Die Förderung der frühkindlichen Bildung sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat das Thema Ausbau der Kinderbetreuung in den letzten Jahren bundesweit zu einem Schwerpunkt in der Familienpolitik werden lassen. In Koblenz gibt es derzeit 64 Einrichtungen der Kindertagesbetreuung, von denen vier Kitas vom Jugendamt betrieben werden. Um den Rechtsanspruch der Eltern auf einen Kita-Platz erfüllen zu können, müssen die Kommunen enorme finanzielle und organisatorische Anstrengungen unternehmen. Die Stadt Koblenz hat alleine letztes Jahr den Bau von drei neuen Kitas vollendet, die zusammen rund 14 Mio. Euro gekostet haben. Weitere Neubauten sind auf der Horchheimer Höhe, im Rosenquartier in Lützel sowie in der Goldgrube geplant. Sorgen bereitet der Fachkräftemangel, weil die Ausbildungszahlen von Erzieherinnen und Erziehern nicht mit dem rasanten Ausbau der Kita-Plätze schritthalten können.

Top: Frau Schüller, wie sehen Ihre aktuellen Haushaltsdaten aus? Welcher Einzeletat ist dabei der größte? Und wo stehen Sie innerhalb des städtischen Gesamthaushalts?

Martina Schüller: Für den Teilhaushalt des Amtes für Jugend, Familie, Senioren und Soziales wurden in den Haushaltsplanentwurf des Jahres 2020 Gesamtaufwendungen von rund 187 Mio. Euro eingestellt. Der größte Anteil entfällt dabei auf die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen in Höhe von rund 39 Mio. Euro. Innerhalb des städtischen Gesamthaushalts hat unser Teilhaushalt an den Gesamtaufwendungen einen Anteil von rund 44 %.

Top: Gibt es aktuell ein Projekt des Jugendamtes, das Ihnen besonders wichtig ist?

Peer Pabst: Ja! Das Jugendamt ist aktuell im Rahmen eines Projektes bemüht Menschen zu finden, die sich als Pflegeeltern engagieren möchten. Pflegeeltern nehmen in Absprache mit dem Jugendamt Kinder in die Geborgenheit ihres Haushaltes auf, die zu ihrem Schutz außerhalb der Herkunftsfamilie untergebracht werden müssen. Mit diesem familiären Betreuungsangebot können Heimunterbringungen vermieden werden. Die Pflegeeltern werden dabei durch das Jugendamt beraten und finanziell unterstützt.  Leider ist die Zahl der Pflegeeltern in Koblenz rückläufig. Wir erhoffen uns durch unser Akquiseprojekt möglichst viel Interesse an dieser wichtigen Aufgabe zu wecken.

Top: Sie sind bei der Umsetzung Ihrer Aufgaben auch auf die Zusammenarbeit mit anderen Partnern bzw. mit dem Stadtvorstand, der Politik und weiteren Institutionen angewiesen? Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit?

Martina Schüller: Aus meiner Sicht ist die Zusammenarbeit sehr konstruktiv. Dies ist auch unbedingt erforderlich. Angesichts großer gesellschaftlicher und demografischer Herausforderungen, finanzieller Engpässe und fachlicher Anforderungen kann es nur so gelingen, die sozialen Entwicklungen in unserer Stadt gut voranzubringen.

Top: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich für Ihre Arbeit wünschen?

Peer Pabst: Ich würde mir wünschen, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Kinder keine Gewalt und Vernachlässigung mehr zu fürchten haben!

Martina Schüller: Ich wünsche mir eine stabile Gesundheit für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem Amt, damit wir eine gute Arbeit für die Koblenzer Bürgerinnen und Bürger leisten können.

Das Interview führte Chefredakteur Manfred Gerz.